Montag, 4. Dezember 2017

Können Pferde Karabinerhaken öffnen?

Die Antwort auf diese Frage erscheint den meisten Pferdekennern so einfach wie überflüssig: Natürlich nicht! Umso interessanter ist die folgende Episode, die sich in einem kleinen Privatstall in der Eifel zugetragen hat.
Es begann damit, dass das Tor, welches zwei jungen Stuten den Zugang zum Heudepot verwehrte, früh morgens offen stand und die beiden Jungpferde im Depot eine nächtliche Futterparty gefeiert hatten. Die Pferdepfleger nahmen diesen Vorgang - so ärgerlich er auch war - nicht weiter ernst und beschlossen den Karabinerhaken, der die Kette des Tores zusammenhielt, künftig sorgfältiger zu kontrollieren. Bei dem Karabinerhaken handelte es sich um einen handelsüblichen solchen aus dem Baumarkt, mit einem Öffnungsstift, der durch eine Feder in ge­schlossenem Zustand gehalten wird. Dieser Hakentyp wird praktisch überall zum Verschließen von Toren und Ketten, auch in Reitställen, eingesetzt.
In den folgenden Wochen wiederholte sich der Vorfall mehrmals und die verantwortlichen Menschen begannen einander heftigste Vorwürfe zu machen. Jeder verdächtigte die Anderen den Karabinerhaken offen ge­lassen zu haben. Nachdem der Ärger jedoch abgeflaut war, realisierten die Beteiligten, dass offenbar jeder von ihnen das Tor immer gewissenhaft abgeschlossen hatte. Vor allem, nachdem die Jungpferde ja schon einmal im Futter­de­pot gewesen waren, hatte jeder natürlich be­son­ders gut aufgepasst. Wenn aber keiner der Pferdeversorger den Ka­ra­bi­ner­haken offen gelassen hatte, wer dann?
Zunächst stand die Theorie im Raum, dass ein Fremder auf der Anlage gewesen sein müsste, der womöglich einige der kleinen, 40kg schweren Heuballen geklaut und dabei den Karabinerhaken offen zurückgelassen habe. Gegen diese Theorie sprachen jedoch zahlreiche Gründe. Die Wichtigsten: Der Täter hätte zuerst einmal einen etwa hundert Meter langen, matschigen Weg vom Haupteingangstor bis zum Stallgebäude zurücklegen müssen, der - bedingt durch einen milden, aber regen­reichen Winter - extrem aufgeweicht und nur mit Gummistiefeln zu bewältigen war. Da sich die Vorfälle bis zu drei Mal in einer Woche ereigneten, dabei aber immer nur geringe Mengen Heu verschwanden, hätte der Fremde folglich mehrmals tätig sein müssen. Dabei wäre er jedes Mal das Risiko der Entdeckung eingegangen. Außerdem hätte die ganze Aktion bei Nacht stattfinden müssen, denn das offene Depottor wurde in den meisten Fäl­len am frühen Morgen entdeckt, während am Abend zuvor noch alles in Ordnung gewesen war. Da von den Nach­barn keiner verdächtig war, müsste ein eventueller Täter ortsfremd sein. Woher sollte er dann aber wissen, wo genau das Heu gelagert wurde? Sich als Ortsunkundiger auf einer fremden Weide- und Stallanlage zu orientieren ist schon bei Tageslicht nicht so ganz einfach, aber bei Dun­kel­heit und ohne elektrisches Licht ist es fast unmöglich. Selbst eine Taschenlampe hilft dabei wenig, zumal der Lichtschein natürlich Aufmerk­sam­keit erregen würde.
Nach einigem Überlegen wurde also auch die Eindringlingstheorie beiseite gelegt. Aber damit war immer noch nicht geklärt, wer den Karabinerhaken geöffnet hatte. Hauptverdächtige waren jetzt jedoch die beiden Jung­stu­ten. Sollten diese in der Lage sein einen Karabinerhaken aufzuhebeln? Die Kette war recht straff (aber nicht zu straff) gespannt und der Haken befand sich durchaus in der richtigen Höhe. Auch hatten die beiden Tiere den Men­schen beim Öffnen und Schließen des Tores oft genug zugesehen. Besser hätten die Bedingungen kaum sein können. Um einen entgültigen Beweis zu erhalten, hätte man die Pferde jedoch dabei beobachten und mög­lichst auch noch filmen müssen. Das wäre jedoch schwierig geworden, also beschränkte man sich darauf die Kette zu­sätzlich mit einem Schäkel zu sichern, den man neben dem Karabinerhaken anbrachte. Ein Schäkelbügel wird ja bekanntlich mit einem ver­schraub­baren Stift verschlossen. Um einen Schäkel zu öffnen, muss man den Stift aus dem Ge­win­de heraus­schrau­ben, ein Vorgang, der gewisse feinmotorische Fähigkeiten erfordert, die nur Men­schen be­sitzen (und eventuell noch die eine oder andere Affenart).
In den folgenden Tagen geschah jedoch wieder, was bereits mehrfach geschehen war: Morgens war der Kara­bi­ner­haken geöffnet und hing lose herunter. Nur der verschraubte Schäkel hatte diesmal verhindert, dass das Tor zum Heu­depot auf­gegangen war.

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